Freitag, 9. Januar 2015

Thrill ... Etwa so?

Gestern noch schreibe ich darüber, wie ich versuche, die Merkmale eines Thrillers zu lernen, um meinen eigenen Texten mehr Spannungselemente zu verleihen. Heute stolpere ich ganz zufällig durch einen Facebook-Post eines Freundes über diesen Artikel. Da es sich hier um einen privaten Blog handelt und ich mir bei so was nie sicher bin, wie seriös solche Inhalte sind, bin ich dem Link auf die Seite des Spiegels gefolgt, aber auch dort finde ich den zitierten Absatz. So sieht er aus:

"Die mutmaßlichen Attentäter haben auf der Flucht offenbar einen schweren Fehler gemacht und die Sicherheitskräfte so auf ihre Spur gebracht. Wie die Zeitschrift "Le Point" und die Zeitung "Le Monde" schreiben, vergaß einer der beiden seinen Personalausweis im Fluchtwagen, als die Verdächtigen am Rande der Hauptstadt das Auto wechselten." (Hervorhebungen im Original)

Man findet auf dieser Seite zwei Bilder, offenbar Fahndungsfotos, die relativ unsympathisch aussehen. Aha, so sehen also ideologische Verbrecher aus. Sie waren offenbar Islam-Sympathisanten, wollten wohl auch mal nach Syrien. Inzwischen hatten sie wohl dem Anschein nach ein eher ruhiges Leben gelebt. Allerdings:


Seitdem muss Chérif Kouachi wohl zum Dschihad zurückgefunden haben. Denn auffällig bei dem Anschlag am Mittwoch war die Brutalität, mit der die Attentäter vorgingen. Die ruhige Art, Zielstrebigkeit und Effizienz der Angreifer weise darauf hin, dass sie ein gründliches Training militärischer Art absolviert haben könnten, sagt die Polizei.

Und mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter.

Vor wenigen Tagen noch habe ich im Thrillerbuch gelesen, dass gute Thriller immer aktuelle Strömungen aufzeigen Missstände bloßstellen. Und jeder Krimiautor weiß, wie man falsche Fährten legt. Ich habe schon als zehnjähriges Mädchen gelernt, wie leicht es geht, falsche "Indizien" auf einem Tatort zurückzulassen, um Unschuldige in den Verdacht zu rücken. Jetzt mal ganz ehrlich: Jemand, der eiskalt und abgebrüht genug ist, zu tun, was bei Charlie Hebdo getan wurde - ist der nicht auch eiskalt genug, um den Perso eines willkommenen Verdächtigen auf einem Autositz zu platzieren? Jemandem, der wunderbar ins Profil passen würde?

Aber wäre der nicht auch, bei so einer sorgfältigen Planung, klug genug, seinen eigenen Perso gar nicht erst mit zum Einsatz mitzunehmen?

In einem Thriller wäre es definitiv so. Natürlich ist das Leben noch mal anders, viel komplizierter und manchmal viel einfacher. Aber es passt für mich logisch einfach nicht zusammen. Nach Ockhams Rasiermesser ist die richtige Lösung meist die, die sich am einfachsten herleiten lässt. Und für mich passt das einfach nicht zusammen. Die Sorgfalt, Kälte und Abgebrühtheit, mit der der Anschlag geplant wurde, und dieser Personalausweis.

Wenn dies ein Thriller wäre ... Natürlich wäre der Mann, dessen Perso gefunden wurde, dann nicht der Täter. Aber wer wäre es dann? Wer hätte den Perso gelegt, um den Verdacht auf ihn zu lenken? Ein anderer radikaler Islamist, der den islamischen Hintergrund des Attentats deutlich machen wollte, ohne selbst ins Kreuzfeuer der Ermittlungen zu geraten? Dafür spräche, dass bei einem islamischen Hintergrund der Täter auch wollte, dass der Hintergrund deutlich wird. Dagegen spräche, dass er auf diese Weise einen Mitmoslem in arge Schwierigkeiten brächte.

Allerdings hat der Verdächtige sich früher bereits nach anfänglicher Begeisterung vom Krieg in Syrien distanziert gehabt ... Vielleicht ist er ja ein Verräter an der "Heiligen Sache"? Er könnte natürlich auch tatsächlich mit in die Angelegenheit verwickelt sein und den Perso als stellvertretendes Selbstmord-Accessoir zurückgelassen haben, nichts ist unmöglich.

Es könnte natürlich auch jemand ganz anderes gewesen sein. Aber wer? Und warum?

Ja, mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Was sich daraus für ein Thriller schreiben ließe ... Aber ich weiß nicht, ob ich in der Lage wäre, für so ein garstiges Geflecht tatsächlich so etwas wie ein Happy End zusammenzubasteln. Dafür fehlt mir der politische Weitblick. Vielleicht sollte ich mich, um eines Tages gute Thriller schreiben zu können, mehr mit Politik beschäftigen?

***

Unabhängig davon. Je suis Charlie. Mein Respekt und mein tiefes Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen und Freunden. Ich wünsche ihnen viel Kraft in dieser schweren Zeit und beim Versuch, zu verstehen, was man einfach nicht verstehen kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen