Dienstag, 6. Januar 2015

Was ist eigentlich Erotikliteratur?

Neulich fragte mich eine Kollegin, ob ich eine Sexszene aus ihrem Buch lesen und ihr Feedback geben könnte, weil die Szene nicht genug prickeln würde. Ich las sie durch und stellte fest, dass die Szene im Grunde nichts mit dem Konflikt zwischen den Figuren zu tun hat. Ihr Buch entwickelte sich klasse, die Konflikte waren besser als alles, was ich schreiben kann, aber für die Sexszene nahm sie das alles weg und es gab den perfekten Sex zwischen den beiden Liebenden. Eine Auszeit für den Leser, um Luft zu holen - und mit der Hand in die Hose zu wandern? Keine Ahnung.

Wir diskutierten darüber. Es ist nämlich ein offenes Geheimnis, dass es in einem Liebesroman ein bestimmtes Pensum an Erotik geben muss. Ich werde hier keine Illusionen zerstören, indem ich das mathematisch aufdrösele. Allerdings zerstörte bei mir das bloße Wissen darum, dass man es mathematisch aufschlüsseln kann, für mich einigen Lesespaß. Selbst schuld, liebe Leserin, warum liest du dir das hier auch durch? Aber das hier ist auch kein Blog übers Lesen, sondern einer darüber, was es bedeutet, Geschichtenerzählerin zu sein.

"Heißt das, der Konflikt zwischen den Liebenden muss auch in den Sexszenen zu spüren sein?", fragte sie mich. "Eigentlich logisch." Geschrieben hatte sie die Szene nämlich nicht zuletzt wegen den mathematischen Aufschlüsselungen über die Menge an Sex und Verlangen in ihrem Genre.

"Nee", sagte ich. "Also, es kommt drauf an, wen du fragst. Wenn du mich fragst, dann ist die Antwort ganz einfach. Die Szene muss den Konflikt voranbringen. Sie muss Konflikte haben. Wenn alles perfekt abläuft, ist es doch vom erzählerischen Aspekt her total langweilig ..."

Wir haben eine Weile darüber geredet. Nach Beispielen für gute Szenen gesucht, in denen Konflikte mitspielen. Ganz wohl war mir aber nicht, weil ich oft von Lesern höre, dass "nicht genug passiert", was ich übersetze mit "nicht genug Porno". Anscheinend gibt es auf der Leserseite sehr wohl die Erwartung, dass zumindest in einem Erotikroman eben jede Menge inspirierender Sex vorkommen muss. Das sehe ich ja auch so - aber führt der Weg dahin nicht eben auch über die Versuche, bei denen es nicht so gut klappt, wo es hakt, wo Menschen einfach menschlich sind und reagieren?

Am Ende war meine Kollegin fast von meiner Ausgangsthese überzeugt, während ich sie fast verworfen habe. Das passiert mir oft in guten Gesprächen. Denn wenn ich Leserin wäre, und ich kaufe etwas, wo Erotik draufsteht, dann will ich auch etwas, was prickelt. Am besten durchgehend.

Wie so oft bei meinen Schreibproblemen habe ich keine Lösung gefunden. Aber das Romanprojekt, an dem ich aktuell schreibe, wird auf jeden Fall viel nackte Haut haben. Das ist fundamental, immerhin geht es um einen Pakt mit dem Teufel, ewige Jugend und Schönheit - und die Macht, während des Sex' in den Geist anderer einzudringen, ihnen Lebensenergie zu stehlen und ihre Gedanken zu beeinflussen. "Love with the Devil" soll der Spaß heißen und noch in diesem Jahr als Trilogie bei bookshouse erscheinen. Dadurch, dass während der Sexszenen oft eben auch Magie gewirkt wird, habe ich meine Konflikte, die mir als Erzählerin wichtig sind. Und obwohl sicher nicht immer alles super perfekt verläuft in den Schlafzimmern meiner Helden, wird es auch genug Sex geben, der einfach nur Bombe ist und vom Hocker haut. Zumindest soll es wo wirken. "Teuflischer Porno" ist mein Arbeitstitel. Und ich muss sagen, es macht mir beim Schreiben wirklich Spaß. Nachdem ich jetzt bei zwei Kurzromanen bei den Dreisternekritiken immer wieder den Punkt hatte "Es passiert nicht genug", hoffe ich, dass die Leser dieses Mal sowohl in Bezug auf sexuelle Action wie auch auf sonstige Spannung, Gefahr und Intrigen voll und ganz auf ihre Kosten kommen.

Mit diesen Hintergedanken bin ich meinen Titel "Tanzen heißt Hingabe", der schon im Februar erscheint, noch einmal durchgegangen. Da passiert definitiv genug. Allerdings ist die Erotik dort eher von der SM-Sorte, hoffentlich enttäusche ich damit niemanden, der Soft-SM á la Shades of Grey erwartet?

Erotikliteratur. Bisher habe ich noch keine gute Antwort auf die Frage gefunden, was das eigentlich ist. Vielleicht liegt das daran, dass ich in dem Genre bisher hauptsächlich die Kurzgeschichten kenne, die in den Schlagzeilen erscheinen. Angeblich gibt es neben der Geschichte der O noch weitere richtig gute Werke französischer Autoren. Mal sehen. Wenn ich mehr darüber herausfinde, schreibe ich dazu sicher noch mehr hier. Der Blog soll ja von meinem Weg erzählen, auf dem ich nach Wegen suche, als Erzählerin eines Tages wirklich gut zu werden. Eines sehr fernen Tages, wie mir scheint. Aber der Weg ist das Ziel.


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